Erinnerungen an Wilhelm Bär
Schmiede- und Wassermeister von Breckenheim

Mein Elternhaus steht am Kirchentor 6, früher Kirchgasse 6, in Wiesbaden-Breckenheim.
Mein Vater, Wilhelm Bär, wurde 1893 als viertes von elf Kindern des Landwirts Johann Philipp Bär und seiner Ehefrau Katharina in Breckenheim geboren.
Nach der Volksschule in Breckenheim trat er 1907 als Huf- und Wagenschmied in Nordenstadt eine Lehre an. Im Jahre 1920 legte er die Meisterprüfung ab und eröffnete in seinem Elternhaus eine Schmiedewerkstatt. Die Werkstatt war ein beliebter Treffpunkt für die Breckenheimer Bauern. Ein gut gefüllter Bembel mit Apfelwein, gekeltert aus eigenen Äpfeln, stand immer für die Kundschaft bereit. Als Hufschmiedemeister war er für das Beschlagen von Pferden und Kühen, die damals als Fuhrwerke dienten, zuständig. Viele Lehrlinge aus dem ganzen Ländchen wurden in seiner Werkstatt ausgebildet und wuchsen zu tüchtigen Männern heran. Ein Ladengeschäft mit Gartengeräten, Haushaltswaren, und Geschenkartikel, welches von seiner Ehefrau Paula geführt wurde, folgte in den dreißiger Jahren.
1970 konnte er sein 50jähriges Meister- und Geschäftsjubiläum feiern. Bis zu seinem Tode im Jahre 1973 war er täglich in seiner geliebten Werkstatt anzutreffen.


Wasserversorgung in Breckenheim

1750 begann man mit der Anlegung von 9 Brunnen die den Ort versorgten. Vier dieser Tiefbrunnen befanden sich in der Alten Dorfstraße, und je einer in der Hellgasse, Pfarrgasse, Am Dorfplatz, Mönchgasse und in der Karl-Albert-Straße. Hier wurde mit Eimern und Kannen das wertvolle Nass nach Hause geholt.
1925 beschloss die Gemeinde am Rande des Dachswaldes Grabungen auszuführen, und das Wasser zu einem Sammelbehälter zu leiten. 1926 wurde der Breckenheimer Wasserhochbehälter, im Sprachgebrauch Wasserhäuschen, gebaut. Das Fassungsvermögen in den zwei Behältern betrug 150m3 Trinkwasser. 1927 war es endlich soweit und Breckenheim hatte eine eigene Wasserleitung.
Ca. 750 Einwohner zählte damals die selbstständige Gemeinde.
Da die Wasserleitung regelmäßig gepflegt und gewartet werden musste, wurde mein Vater zum Wassermeister der Gemeinde ernannt.
Weitere Schächte auf dem Weg zum Wasserhaus wurden ebenfalls regelmäßig gereinigt. Sie waren Zubringer auch für unsere Pfingstbornquelle die damals Trinkwasserqualität hatte. Für die Reinigung habe ich manchmal 1,00 DM Taschengeld bekommen. Damals eine stolze Summe für ein Kind von ca. 10-12 Jahren.

Ich erinnere mich noch gerne an Pfingsten. Wir Kinder gingen mit unseren Eltern zum Pfingstborn. Einen kleinen Steinkrug füllten wir mit frischem Pfingstbornwasser und gaben Brausepulver hinzu, das schmeckte einfach köstlich. Damals ging die Sage um, dass das Wasser sehr fruchtbar sei. Bei vielen Paaren war nach neuen Monaten das Ergebnis sichtbar.

Das Wassergeld wie man damals die Wassergebühr nannte, betrug im Monat 2.00 DM pro Haushalt. Mit Zunahme der Bevölkerung und neuen Wohnhäusern, die jetzt mit WC und Bäder errichtet wurden, reichte das Wasser oft nicht aus. An heißen Tagen war es strikt verboten Wasser zum Baden oder für den Garten zu verwenden. Oft wurde das Wasser zwischen Ober- und Unterdorf eingeteilt.
Die Familien wurden vom Gemeindediener Heinrich Schaab, und seiner Amtsschelle in Kenntnis gesetzt. So erfuhren alle, zu welchen Zeiten Wasser zur Verfügung stand. Damals liefen die Bekanntmachungen und Anordnungen der Gemeinde alle über diesen Weg, denn Telefone waren noch eine Seltenheit. An heißen Sommertagen musste mein Vater mehrmals zum Wasserhaus fahren um die beiden Wasserbecken umzustellen. Mit einem alten Fahrrad ging es über dem Pfingstborn zum Wasserhaus. Die Feldwege waren durch die Pferdefuhrwerke ziemlich uneben und nicht wie heute betoniert. Oftmals, wenn ich meinen Vater begleitete, ich saß auf der Stange seines Rades, waren Stürze an der Tagesordnung. Bei Regenwetter und Matsch, half oft nur noch schieben. Das Wasserhaus war für mich immer ziemlich gruselig. Sein lautes Rauschen war schon beängstigend, aber trotzdem auch aufregend. Regelmäßig wurden die beiden Becken gereinigt, denn schon damals wurde die Wasserqualität turnusgemäß von der Firma Fresenius geprüft und musste einwandfrei sein. Aber trotz der Wasserleitung, die natürlich sehr viel Bequemlichkeit mit sich brachte, wurden auch die Brunnen weiter genutzt.
Aus dem Brunnen in meinem Elternhaus wurde täglich Wasser gepumpt. Mindestens einmal in der Woche war in der Schmiede „Reifenaufziehen“ angesagt. Bandeisen wurden in die richtige Breite und Länge geschnitten und im Schmiedefeuer glühend gemacht, bevor sie auf die Räder angepasst wurden. Damit das Holz nicht brannte pumpten wir Kinder Wasser aus dem Brunnen und gossen es darüber. Wasser aus der Leitung war auch hier tabu. Für die Wäsche, das Vieh und den Garten wurde ausschließlich Wasser vom Brunnen oder dem nahen Bach geholt. So wurden wir als Kinder immer angehalten Trinkwasser als etwas Wertvolles zu schätzen. Bei einem Defekt der Rohrleitung musste schnellstens die Reparatur erfolgen, also war wieder der Wassermeister gefragt.
Die Gemeindediener schaufelten die Straße bis zum Leck auf, das dann vom ihm repariert wurde. Wohlgemerkt, das geschah alles per Hand mit Pickel, Schaufel und Spaten. Die Rohre waren nicht wie heute aus Kunststoff sondern aus schwerem Gusseisen.
Heute undenkbar!
1963 erfolgte die Verlegung des Kanals, auch hier war seine Erfahrung von Vorteil.
Im Jahre 1967 war der Wasserverbrauch so angestiegen, dass der Verbrauch aus unserer eigenen Quelle nicht mehr ausreichte. Durch die Ausweisung neuer Baugebiete zählte Breckenheim jetzt mehr als 2000 Einwohner. 1971 wurde ein neuer Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 1400m3 gebaut und ein Wasserverband gegründet der die Trinkwasserversorgung von Wallau und Breckenheim sicherte. Von nun an kam unser Trinkwasser aus dem „Hessischen Ried“. Das Wasserhaus hat ausgedient und wird noch manchmal von der „Freiwilligen Feuerwehr Breckenheim“ zu Übungszwecken genutzt.


Mein Vater starb 1973 kurz nach Vollendung seines 80. Geburtstages. Er war bis 1970 für die Wasserversorgung in Breckenheim zuständig. Die Qualität des Trinkwassers hatte für ihn immer erste Priorität.

Hannelore Becht geb. Bär
Wiesbaden-Breckenheim
Im April 2013



Zwei Bilder vom Wasserhochbehälter im Buch: „Wir nennen es Breckenheim“ Band I, Seite 39

Alter Wasserhochbehälter
Alter Wasserhochbehälter
Neuer Wasserhochbehälter
Neuer Wasserhochbehälter


Alter Wasserhochbehälter
Alter Wasserhochbehälter


Alter Wasserhochbehälter
Brunnenschacht zur Versorgung des alten Hochwasserbehälters
Alter Wasserhochbehälter
Brunnenschacht zur Versorgung des alten Hochwasserbehälters

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Aktualisierungsdatum: 18.08.2021